Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler berichtet über Chancen und Risiken, die sich für Arbeitnehmer von insolventen Unternehmen ergeben.

BildWenn ich einen Arbeitnehmer eines insolventen Unternehmens berate, teile ich ihm immer mit, dass der Insolvenzverwalter ihn bezahlen muss, wenn er ihn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens arbeiten lässt, um den Betrieb fortzuführen. Mit dem Tag der Insolvenzeröffnung tritt der Verwalter in die Arbeitsverhältnisse ein und muss sich behandeln lassen wie jeder andere Arbeitgeber auch. Er kann lediglich verkürzte Kündigungsfristen und noch einige Besonderheiten beim Personalabbau in Anspruch nehmen, die an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden sollen.

Wenn der Insolvenzverwalter aber erkennt, dass es keinen Sinn mehr macht den Betrieb fortzuführen, etwa weil keine Aufträge mehr vorhanden sind, kann er die Arbeitnehmer aber auch kündigen und sofort freistellen, so dass diese Arbeitslosengeld beantragen können, ohne dass die Kündigungsfrist bereits abgelaufen ist. Dies kann direkt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens passieren oder auch erst nach einigen Monaten, wenn sich später herausstellt, dass der insolvente Betrieb doch nicht am Markt bestehen kann. Gleichzeitig zeigt der Insolvenzverwalter in einem solchen Fall dem Insolvenzgericht meist die sog. Masseunzulänglichkeit an, quasi die Insolvenz der Insolvenz. Dies bedeutet, dass er davon ausgeht, dass er die Forderungen ab Insolvenzeröffnung, für die er den Arbeitnehmer wie ein normaler Arbeitgeber haftet, nicht mehr bezahlen kann, und die Arbeitnehmer hierauf auch nur noch eine Quote zu erwarten haben, wobei sie mit ihren Forderungen vor den einfachen Insolvenzgläubigern stehen, deren Forderungen aus der Zeit vor der Eröffnung des Verfahrens stammen.

Es ist auch durchaus rechtens, dass in einem solchen Fall der Arbeitnehmer, der für den Insolvenzverwalter gearbeitet hat, keinen Lohn bekommt, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15.11.2012, 6 AZR 321/11 bestätigt hat. Der Verwalter kann sich darauf berufen, dass auf dem Insolvenzanderkonto, das er für das insolvente Unternehmen eingerichtet hat, nicht genug Geld ist, um alle Gehälter, Mieten, usw. zu bezahlen. Er muss den Arbeitnehmer im Normalfall nicht aus seinem privaten Vermögen bezahlen oder den Fall seiner Haftpflichtversicherung melden.

In dem entschiedenen Fall ging es um ein Unternehmen, das CDs und DVDs herstellte und bereits aus einem Insolvenzverfahren hervorgegangen war. Es geriet in juristische Auseinandersetzungen mit einem führenden amerikanischen Unternehmen, das Lizenzen für die Vermarktung von Videofilmen anbot. Dieses stellte wegen Urheberrechtsverletzungen hohe Schadenersatzforderungen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des CD-Herstellers wurde daraufhin am 01.01.2009 eröffnet. Der später von einem Arbeitnehmer verklagte Insolvenzverwalter ging zunächst davon aus, dass er das Unternehmen fortführen könne, da ihm mehrere Aufträge für den Monat Januar avisiert wurden. Er hielt die hieraus zu erzielenden Einnahmen für ausreichend, um die Gehälter und sonstigen Kosten zu bezahlen, und bat die Arbeitnehmer in einem Schreiben im Dezember 2008, im Januar weiter zu arbeiten. Gleichzeitig stand der Insolvenzverwalter in Verhandlungen mit einigen Übernahmeinteressenten, denen er den insolventen Betrieb verkaufen wollte.

Im Verlauf des Januars stellte sich jedoch heraus, dass das amerikanische Unternehmen aufgrund der noch bestehenden Forderungen gegen die Schuldnerin und gegen Schwestergesellschaften nicht bereit war, dem Insolvenzverwalter die für die Erledigung einiger Aufträge nötigen Lizenzen zu erteilen. Dadurch musste der Insolvenzverwalter einige Aufträge ablehnen, für die Lizenzen erforderlich waren. Außerdem wurden ihm andere Aufträge, die ursprünglich in Aussicht gestellt worden waren, nicht erteilt. Übernahmeverhandlungen scheiterten. Der Insolvenzverwalter zeigte daraufhin Ende Januar die sog. Masseunzulänglichkeit an, kündigte die Arbeitnehmer und stellte sie sofort frei, so dass sie sich beim Arbeitsamt melden konnten. Ein Arbeitnehmer versuchte vergeblich, das Januargehalt beim Insolvenzverwalter persönlich einzuklagen.

Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass der Insolvenzverwalter nicht gemäß § 61 InsO persönlich hafte, da es sich um keine Verbindlichkeit handele, die er durch eine eigene Rechtshandlung begründet habe. Dieser habe den Arbeitsvertrag nicht geschlossen, sondern sei in diesen kraft Gesetzes eingetreten. Auch hätte er den Arbeitsvertrag nicht früher kündigen können. Zudem wären auch bei einer Freistellung die Gehaltsansprüche unter dem Aspekt des Annahmeverzugs, § 615 BGB, entstanden.

Auch hafte der Insolvenzverwalter nicht aus § 60 InsO, da der Arbeitnehmer nicht vortragen und beweisen konnte, dass dieser Pflichten nach der Insolvenzordnung schuldhaft verletzt habe. Es gebe keine Verpflichtung, die Arbeitnehmer freizustellen, damit sie Arbeitslosengeld beanspruchen können. Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern sei nur dann nicht mehr zu akzeptieren, wenn hierdurch keinerlei Wertschöpfung für die Insolvenzmasse zu erwarten sei. Der Insolvenzverwalter habe einen Beurteilungsspielraum, soweit noch Aussichten bestehen, künftig wieder gewinnbringend zu arbeiten. Da der Arbeitnehmer selbst einräumte, dass im schuldnerischen Betrieb im Januar 2009 kleinere Aufträge bearbeitet wurden, und sich der Insolvenzverwalter zudem um größere Aufträge und die dafür notwendigen Lizenzen bemüht hatte, konnte das Gericht keine Pflichtverletzung erkennen. Der Arbeitnehmer konnte auch nicht vortragen, dass die Insolvenzmasse durch die Aufrechterhaltung des Betriebs bis Ende Januar 2009 im Vergleich zu einer Stilllegung am Monatsbeginn verringert worden sei. Zudem sei es nach den Feststellungen des Gerichts aufgrund der Übernahmeverhandlungen notwendig gewesen, den Betrieb noch aufrecht zu erhalten.

Da in § 60 Abs. 1 S. 2 InsO auch nur von den „Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters“ die Rede sei, brauche ein Insolvenzverwalter auch nicht dieselben hohen Sorgfaltspflichten ausüben wie die Geschäftsleitung eines gesunden Unternehmens, der z.B. bei einer GmbH die „Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmanns“ auferlegt werden. Insbesondere zu Beginn des Verfahrens sei ihm eine gewisse Einarbeitungszeit zuzugestehen. Auch dem Anschreiben des Insolvenzverwalters aus Dezember 2008 konnte nicht entnommen werden, dass dieser für das Gehalt persönlich aufkommen wollte.

Zudem sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden, da er ab dem 01.02.2009 Arbeitslosengeld erhalten habe und der Leistungszeitraum somit nur um einen Monat nach hinten verschoben worden sei.

Fazit: Wenn ein Insolvenzverwalter in die Arbeitsverhältnisse eintritt, geht zu 90% alles gut. Wenn er sich jedoch verschätzt und die Gehälter wider Erwarten nicht zahlen kann, ist es sehr schwierig, ihn persönlich haftbar zu machen. Es besteht also ein gewisses Risiko, für einen Insolvenzverwalter zu arbeiten, das vermutlich höher ist als bei einem nicht insolventen Arbeitgeber. Da Arbeitnehmer aber grundsätzlich zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, muss ich diesen grundsätzlich empfehlen, arbeiten zu gehen – solange bis sie eine neue Anstellung gefunden haben und den Arbeitsvertrag kündigen können oder der Gehaltsrückstand so hoch ist, dass man über ein Zurückbehaltungsrecht oder eine Eigenkündigung nachdenken kann.

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Ich bin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Nachdem ich einige Jahre als angestellte Anwältin gearbeitet habe, gründete ich 2009 meine eigene Kanzlei. Ich befasse mich mit dem Zivil- und Wirtschaftsrecht insbesondere dem Arbeits-, Miet- und Insolvenzrecht und vertrete hierbei sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen.
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